03 Juni 2011

Das Mysterium „Bewusstsein“

Von: hs 

Abgesehen von Randerscheinungen wie Entspannung, Wohlbefinden, Verbesserung der Gesundheit oder gesteigerter Fähigkeit zur Konzentration, handelt es sich bei der Erweiterung des eigenen Bewusstseins um das eigentliche Ziel von Yoga. Durch Bewusstsein nehmen wir wahr, erleben, verarbeiten, erlangen Wissen, Verständnis, Weisheit, und trotzdem setzten wir uns so selten, wenn überhaupt, mit der Frage auseinander, worum es sich bei „Bewusstein“ eigentlich handelt. Eindeutige wissenschaftliche Definitionen mag es für Bewusstseinszustände geben, nicht jedoch für Bewusstsein selbst. Doch vielleicht handelt es sich gerade dabei um den Berührungspunkt zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und antiker Weisheitslehre.Je mehr wir uns mit dem Thema Bewusstsein auseinander setzen, je mehr wir darüber lesen, studieren, nachdenken, desto größer wird die Zahl der Fragen. Oder auch das Staunen, wobei es sich bekanntlich um den Anfang jeder Philosophie handelt. Wer oder was bin ich? Ein Mensch mit Körper und Geist, Wahrnehmungsorganen und Fähigkeiten zur Auswertung der Eindrücke ebenso wie zum Handeln. Wir wissen genau wer wir sind. Wir kennen unseren Namen. Wir wissen wie wir aussehen und wie wir von unseren Mitmenschen wahrgenommen werden. Wir sind uns unserer selbst bewusst.

Haben Sie jemals Ihr eigenes Auge gesehen? Ich meine nicht die Reflexion davon in einem Spiegel, sondern das Auge selbst. Weil wir die Reflexion bis ins kleinste Detail kennen, sind wir letztendlich überzeugt, unsere eigenen Augen unzählige Male gesehen zu haben. Doch, glauben Sie mir, das Auge, obwohl selbst sichtbar, nimmt alles Sichtbare wahr, außer sich selbst. Bleiben wir bei der Wahrnehmung durch das Auge. Sie wissen um den Prozess. Photonen werden von der Pupille eingefangen, treffen auf die Netzhaut, vom Sehnerv werden Reize zum Sehzentrum im Gehirn weiter geleitet – und dort erst wird das Bild geformt, das Ihnen bewusst wird. Dabei kann sich der Betrachter niemals absolut sicher sein, was sich wirklich vor seinem Auge befindet. Er kennt nur den Eindruck, der sich innerhalb des Gehirns spiegelt. Um diesen Umstand zu verdeutlichen, lassen Sie mich von einem Phänomen erzählen, das am intensivsten 1951 vom Psychologen Ivo Kohler erforscht wurde, wobei er sich neben anderen auch selbst als Testperson zur Verfügung stellte. Rund um die Uhr trug er, 124 Tage lang, eine sogenannte binokulare Prismenbrille, wodurch alle betrachteten Gegenstände verzerrt, verschoben und meist „auf dem Kopf stehend“ wahrgenommen werden. Tag für Tag lernt die Versuchperson besser mit der Situation umzugehen. Bis, eines Tages, trotz Tragens der Brille, praktisch alles „völlig normal“ erscheint. Der Griff mit der Hand landet nicht mehr neben dem Objekt, zuvor gekrümmte Linien sind wieder gerade und Gegenstände, die anfangs umgekehrt gesehen wurden, werden genau so wahrgenommen wie von jedem Anderen mit ungetrübtem Blick. Keine der Testpersonen trug die Brille so lange wie Kohler und somit dauerte die Rehabilitierung bei ihm am längsten. Während über Monate hinweg das, für das Gehirn unverständliche und verwirrende, Bild immer besser korrigiert wurde, führte diese Korrektur nach Abnahme der Brille zum gegenteiligen Effekt. Plötzlich erschienen ohne Brille gerade Linien verzerrt und Kerzen „brannten mit der Flamme nach unten“.
Ein harmloses Experiment, das kaum eine Minute in Anspruch nimmt, können Sie mit Hilfe des folgenden Videos jederzeit selbst durchführen. Machen Sie sich keine Sorgen. Es folgt weder ein unliebsamer Überraschungseffekt noch sind „versteckte Botschaften“ enthalten. Vergrößern Sie das Bild, dass es den ganzen Bildschirm füllt. Dann starren Sie rund 50 Sekunden auf den Punkt in der Mitte. Ist das Video zu Ende und es erscheint Text, richten Sie Ihren Blick auf irgend welche Gegenstände, also weg vom Bildschirm.



Wie Sie bemerkt haben, hält der Effekt nur wenige Sekunden an, doch demonstriert er deutlich, wie unterschiedlich die Wahrnehmung vom eigentlichen Objekt sein kann, wie zweifellos unbewegte Gegenstände als sich bizarr bewegend erscheinen. Denken Sie noch einmal an den Prozess der Informationsübermittlung. Elektrische Impulse werden über die Sehnerven ins Sehzentrum übertragen. Es handelt sich somit um übermittelte Daten, die, nach der Auswertung, im Gehirn wiederum als vollständiges Bild erscheinen. Wenn Sie Geräusche hören, etwas mit Ihren Händen berühren, Gerüche aufnehmen, all Ihre Sinnenseindrücke funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Datenübermittlung. Abgesehen davon, dass, wie das Beispiel mit der Prismenbrille verdeutlicht, diese Daten im Gehirn absichtlich verändert werden können, wie sehr entspricht der Eindruck, dass es sich bei fester Materie wirklich um etwas „Festes“ handelt, der Realität? Natürlich zweifelt niemand daran, dass ein Stein schlicht ein Stein ist, der über eine harte Oberfläche, eine bestimmte Ausdehnung und eine entsprechende Masse verfügt. Es wäre absurd zu behaupten, dass es sich bei diesem Stein oder jedem anderen Objekt nicht um feste Materie, sondern um Illusion handelt. Und trotzdem wissen wir, dass dieser Stein, jegliches Objekt, unsere eigenen Körper, jede einzelne Zelle des Gehirns, letztendlich aus nichts anderem besteht als aus Protonen, Neutronen und Elektronen. Wir wissen um das Größenverhältnis dieser Teilchen und sind uns völlig bewusst, dass der leere Raum zwischen Atomkern und Atomhülle millionenfach größer ist als die Partikel selbst. Wobei sich auch diese sogenannten Partikel weiter unterteilen lassen – und alles was bleibt ist ein Spannungszustand. Und trotzdem nehmen wir alles als Materie wahr. Die ständige Wiederholung der Auslegung, der Vergleich mit der Wahrnehmung durch Andere, die alles ebenso erkennen wie wir, überzeugt uns, dass es sich bei dem Abbild der Welt, wie es in unserem Bewusstsein entsteht, um Realität handelt. Ich bestreite ja gar nicht, dass die Welt, das Universum, unsere Umgebung, unsere Körper, die Erscheinung unserer Mitmenschen, durchaus reale Erscheinungen sind. Ein Stein ist ein Stein. Doch gleichzeitig ist er nichts anderes als eine Ansammlung von Atomen. Zum Stein wird er erst durch unser Bewusstsein. Und wie sieht es mit dem Rest der Welt aus? Und noch immer sind wir einer Antwort auf die Frage, worum es sich bei Bewusstsein handelt, um nichts näher gekommen.
In der vedischen Literatur, wobei es sich um die Wurzeln der Yoga-Lehre handelt, wird Bewusstsein unter anderem mit einem Spiegel verglichen. Haben Sie schon jemals einen Spiegel gesehen? Ich meine nicht den Rahmen, ich meine keine Flecken oder Kratzer an der Oberfläche, ich meine den Spiegel selbst. Wie sieht ein Spiegel aus? Was Sie sehen ist die Reflexion dessen, was sich vor dem Spiegel befindet. Der Spiegel selbst bleibt unsichtbar. Gleichermaßen ist Bewusstsein als solches nicht direkt erkennbar. Wir wissen um Bewusstsein deswegen, weil alles was wahrnehmbar ist, sich darin spiegelt. Aber, obwohl Bewusstsein nicht erkennbar ist, ist es ohne jeglichen Zweifel vorhanden. Einerseits handelt es sich um die Bedingung der Wahrnehmung und außerdem wäre nur Bewusstsein dazu fähig, Bewusstsein zu hinterfragen. Und somit beweist die Möglichkeit des Hinterfragens von Bewusstsein allein schon unanzweifelbar dessen Existenz.

Max Planck, Vater der Quantentheorie, erklärte 1944 in Florenz:
„Die Dinge unserer Welt existieren nicht so, wie wir glauben, dass sie existieren. Es gibt keine Materie! Das was wir für Materie halten besteht nur aufgrund einer Kraft, die sie zusammenhält. Wir können annehmen, dass hinter dieser Kraft ein bewusster und intelligenter Geist steht. Dieser Geist ist die Matrix der gesamten Materie.“
Max Planck, ein anerkannter Wissenschaftler, bezeichnete dieses Schema der Dinge, die uns als Welt oder als Universum erscheinen, als Matrix. Denken Sie an Computerspiele, an denen Hunderte oder Tausende von Spielern simultan teilnehmen können. Verzeihen Sie mir, dass ich kein direktes Beispiel zur Hand nehmen kann, nachdem ich mit keinem einzigen dieser Spiele näher vertraut bin. Doch was sich in diesen Computerprogrammen abspielt, was Sie mit Ihren Augen auf dem Bildschirm wahrnehmen, ist eine in sich abgeschlossene Welt. Bilder erscheinen exakt der Situation entsprechend. Ihr Avatar wird von allen anderen Mitspielern ebenso gesehen wie von Ihnen selbst. Legen Sie – oder Ihr Avatar – eine bestimmte Wegstrecke zurück, so nimmt dies die dafür passende Zeit in Anspruch. Was auch immer innerhalb des Spiels geschieht, es passt in allen Details zusammen. Was hält Sie davon ab, sich voll und ganz mit dem Avatar zu identifizieren? Was erinnert Sie daran, dass Sie ein Mensch sind, der vor dem Computer sitzt? Es ist die gleichzeitige Wahrnehmung der „Wirklichkeit“. Versuchen Sie sich vorzustellen, Sie wären dazu nicht fähig. Stellen Sie sich vor, Sie sind in das Spiel so sehr eingebunden, dass Sie restlos vergessen, wer Sie wirklich sind.
Das eigene Bewusstsein als solches zu erkennen, ist nur durch Selbstbeobachtung möglich. Alle Vergleichsbeispiele, Überlegungen, Gedankenexperimente, dienen bestenfalls als Brücke, die jeder für sich selbst überschreiten muss. Jeder, dessen Ziel es ist zu erfahren, wer oder was er wirklich ist.

Quelle und Weiterlesen: THE INTELLIGENCE

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