19 März 2011

Hartz IV - Gedanken über ein System

Deutschland ist von 1950 bis 2000 sehr gut ohne Hartz-IV ausgekommen, also ein halbes Jahrhundert lang. Die Kohl-Regierung hatte allerdings gegen Ende der 1990er Jahre durch Misswirtschaft einen gigantischen Schuldenberg angehäuft; eine Situation, die durch die Wiedervereinigung extrem verschärft wurde. Hinzu kam, dass ein Staatssekretär unter Kohl - nämlich ein gewisser Horst Köhler, den man später für seine "Verdienste" zum Präsidenten machte - die Renten- und Arbeitslosenkassen zur Finanzierung der Deutschen Einheit kaltlächelnd leergeräumt hat. Das waren die Kassen, in die die Zwangseinzahlungen der arbeitenden Menschen seit 1950 geflossen sind. Da war ich selbst auch mit dabei. 31 Jahre lang.
Das Geld musste irgendwo bleiben. Ist es auch. Ein paar Multis bzw. Konzerne haben dabei in Ostdeutschland mächtig abgesahnt und sich eine goldene Nase verdient. Oder, anders ausgedrückt: Die den arbeitenden Menschen zustehenden Renten- und Versicherungsleistungen sind an ein paar ohnehin schon superreiche Bonzen geflossen. Schröder stand danach vor der Wahl, das Steuer herumreißen zu müssen oder das System der Ausbeutung zu perfektionieren. Er wählte die letztgenannte Variante, weil die nicht nur einfacher war, sondern ihm persönliche Vorteile verschaffte (Stichworte Maischberger-Affäre und Gazprom). So wurden das bewährte Arbeitslosengeld, die bewährte Arbeitslosenhilfe und die bewährte Sozialhilfe auf wesentlich niedrigerem Level zu Hartz-IV zusammen gefasst. Das Ganze nannte man zwecks Verschleierung die "Reform des SGB II". Es diente der Kosteneinsparung, weil Produktivität und Arbeitsplatzangebot aufgrund von Automatisierung schon lange voneinander entkoppelt sind. Anders ausgedrückt: Es gab zu viele Arbeitslose und weil der Staat die Versicherungskasse nicht mehr besaß, waren die ihm zu teuer geworden. Das Ergebnis war die Vernichtung des Sozialstaates, durch Euphemismen wie "soziale Marktwirtschaft" verschleiert.


Mit der Einführung von Hartz-IV wurde auch das Bildungsniveau entscheidend gesenkt. Offiziell hat man das nie zugegeben. Das ist jedoch leicht erkennbar, wenn man sich einfach nur einmal ein Schulbuch aus der Ära vor der Vernichtung des Sozialstaates und ein aktuelles Schulbuch zur Hand nimmt. BTW: Da ich zwei schulpflichtige Kinder habe, muss ich das zwecks Hausaufgabenhilfe häufiger tun. Was früher bei uns in der Hauptschule unterrichtet wurde, ist heute der Lernstoff in der Realschule und was man den Schülern früher in der Realschule beibrachte, das ist heute das Thema des Gymnasiums. Wirklich gute Bildung gibt's nur noch für die oberen Zehntausend auf Privatschulen und Privatuniversitäten. Letzteres bringt für deren Schüler bzw. Studenten allerdings das Problem des Tunnelblicks bzw. der selektiven Wahrnehmung mit sich. Sie kennen eben nur ihre eigene Realität und nicht die andere Seite der Medaille. Sie werden zur "Elite" ausgebildet.
Ich denke, dass das beabsichtigt ist, denn Menschen mit Bildung denken nach und lassen sich nur schwerlich manipulieren. Hält man die Bevölkerung dumm, dann ist die Manipulation einfacher. Das sind simple Schemata der Propaganda, wie sie schon Edward L. Bernays in den 1920er Jahren formuliert hat. Wer dann noch dagegen den Mund auftut, der wird diffamiert. Womit wir wieder bei Hartz-IV sind. Als das eingeführt wurde, hatten wir in Deutschland noch viele Menschen mit sehr bescheidenem Wohlstand. Wir hatten überwiegend sozialversicherungspflichtige (SV-pflichtige) Jobs von unbefristeter Dauer. D. h. der Staat erhielt (noch) Steuereinnahmen. Heute haben wir einige Superreiche und sehr viele Arme. Aber Schröder und sein Spezi Clement hatten die Weichen gestellt - hin zur Großindustrie und hin zu den Heuschreckenkonzernen. M. E. war es bis heute für ausnahmslos ALLE Folgepolitiker wohl viel zu verlockend, sich aus diesem Topf bedienen zu können.
Dafür, dass der gemeine Bürger das nicht mitbekam, sorgten (und sorgen) die Medien und die Senkung des Bildungsniveaus. Schmierige Lügenblätter wie BILD, gefakte Fernsehsendungen über vermeintlich "echte" Familienschicksale usw. (s. a. http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama_die_reporter/luegenfernsehen105.html - nur mal so als Beispiel dafür, dass ich mir diese Aussagen nicht aus den Fingern gesaugt habe). Es wurde ein Feindbild aufgebaut und die "neuen Juden" entstanden. Das waren die Arbeitslosen, die Hartz-IV erhielten. Also die Menschen, die unser Staat um die ihnen zustehenden Versicherungsleistungen betrogen hatte. Damit das nicht ruchbar wurde, warf nach mit Dreck. Die Medien bauten absichtlich und vorsätzlich das Vorurteil vom "faulen, ungebildeten, besoffenen Sozialschmarotzer, der seine eigen Kinder beklaut" auf.
Dieses Vorurteil wurde auch denjenigen, die Arbeitslose wieder in Arbeit vermitteln sollten - nämlich den Fallmanagern (FM) im Jobcenter - eingebläut. Nur konnte man das mit "gestandenen" Arbeitsvermittlern kaum machen. Deswegen wurden die altgedienten Arbeitsvermittler zur ALG-I-Sparte (befristetes Arbeitslosengeld) geschickt oder in Rente oder ihr Vertrag nicht mehr verlängert. In der ALG-II-Sparte (d. h. als Bearbeiter für Hartz-IV) sitzt heute der ehemalige Schweißer aus Wuppertal, der einen Wochenendkursus absolviert hat und ein Chemielabor nicht vom zahntechnischen Labor oder einen Biologen nicht vom Chemiker unterscheiden kann. Mit anderen Worten: Diese (zuständigen) Leute haben keine Ahnung von den Berufsbildern. Deswegen können sie auch nicht vermitteln. Aber das brauchen sie auch gar nicht, denn ihre Hauptaufgabe besteht darin, den Anspruchsberechtigten Bezüge und Arbeit vorzuenthalten. Weil: Ein riesiges Heer Arbeitsloser am Existenzminimum ist unverzichtbar, wenn es um permanentes Lohndumping geht. Kostenlose Probearbeit, unbezahlte Praktika, Volontariate ohne Bezüge, 400-Euro- sowie 1-Euro-Jobs und mies bezahlte, uneingeschränkte Leiharbeit bei gleichzeitig fehlendem Mindestlohn tun ihr Übriges in diesem Zusammenhang. Schließlich gibt es noch die unbezahlte "Bürgerarbeit", die letztlich nichts weiter als Zwangsarbeit und damit Neosklaverei ist, denn in die "Bürgerarbeit" werden Hartz-IV-Empfänger "zur Erhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit" vom Jobcenter abkommandiert. Es profitiert die Wirtschaft. Nur die Wirtschaft. Jede dieser Beschäftigungen vernichtet eine SV-pflichtige, reguläre Arbeitsstelle. Der Staat nimmt keine Steuern mehr ein; er verarmt. Notwendige Ver- und Nachbesserungen an der Infrastruktur werden daher unfinanzierbar. Das sieht man bei uns allenthalben: Straßen haben sich oftmals schon vor Jahren in Schlagloch- und Buckelpisten verwandelt. Wer Geld hat, kauft und fährt einen Geländewagen.

Der Hartz-IV Beanspruchende wird gemäß dem o. a. Vorurteil erst einmal äußerst skeptisch beäugt. Er wird vorverurteilt. Hinzu kommt noch ein Generalverdacht des Erschleichens von nicht zustehenden Leistungen, geschürt durch reißerisch aufgemachte Lügenmeldungen in den Massenmedien und in der Boulevardpresse a la BILD. Der FM ist nur zeitlich befristet eingestellt. Schafft er es nicht, binnen seiner Vertragslaufzeit "Gewinne zu erwirtschaften" (was nur dann geht, wenn man dem Arbeitslosen ihm zustehende Gelder vorenthält), dann fliegt er raus. Dann darf er sich selber anstellen - aber auf der anderen Seite des Schreibtisches. So beschäftigt der deutsche Staat auf diesem Sektor heute fast nur noch willfährige und kritiklos alles ausführende Mitläufer, wie es einst bei den Nazis mit den Leuten, die Juden in KZs und Gaskammern schickten, der Fall gewesen ist. Das sichert die hohe soziale Position einer selbstherrlichen und selbsternannten "Elite".

Die offizielle Arbeitslosenstatistik weist rund drei Millionen Arbeitslose in Deutschland aus. Knapp die Hälfte unserer 82 Millionen Einwohner ist im arbeitsfähigen Alter. Gut vier Millionen Hartz-IV-Empfänger hat man in obskuren Maßnahmen "geparkt" bzw. "zwischengelagert". Das sind Maßnahmen, in denen der gestandene und berufserfahrene Systemadministrator den Umgang mit einem Computer erlernen soll, in denen die frühere Personalsachbearbeiterin das Schreiben von Bewerbungen erlernt, in denen dem geborenen Deutschen die deutsche Sprache beigebracht wird, in denen man im Rahmen eines unbezahlten "Berufspraktikums" in der Urlaubszeit die Regale beim Discounter auffüllt usw. Oder jemand ist im Beruf A nicht vermittelbar und wird deswegen nach Beruf B umgeschult, während sein in Beruf B unvermittelbarer Kollege gerade eine Umschulung nach Beruf A macht. Hauptsache, die Leute sind aus der Arbeitslosenstatistik raus. Hauptsache, die Maßnahmenanbieter profitieren davon (s. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-76121041.html als Beleg). Dann kommen noch einmal gut 7 Millionen an über Totalsanktionierung und Bedarfsgemeinschaften rausgerechneter Menschen (Zahlen des IAB, nachzulesen unter http://doku.iab.de/kurzber/2010/kb1510.pdf auf S. 2). Das macht summa summarum knapp 15 Millionen tatsächlich Arbeitslose. Bedeutet: De facto ist in Deutschland jeder Dritte bis Vierte inzwischen ohne Arbeit und in den Fängen des Jobcenters.

Allerdings sieht es für die verbleibenden und in Arbeit befindlichen Menschen auch nicht viel besser aus. Da es keine gesetzlichen und flächendeckenden Mindestlöhne gibt, regieren die prekären Arbeitsverhältnisse. Das bedeutet, dass die Menschen zwar arbeiten, von ihrer Arbeit jedoch nicht leben können. Als Arbeit gilt alles ab einer Stunde an bezahlter Beschäftigung pro Woche - auch wenn in der besagten Stunde nur ein einziger Cent verdient wird. Es steht ihnen aber die Aufstockung auf das Existenzminimum durch Hartz-IV frei. Dazu müssen sie das beantragen (s. o.) und begeben sich wie jeder Arbeitslose auch uneingeschränkt in die Fänge der Jobcenter. Wer dort aufmuckt, den schickt man zur MPU (Medizinisch-Psychologische-Untersuchung) oder lässt ihn per Akteneinsicht gleich für unzurechnungsfähig erklären (die Sendung MONITOR berichtete im August 2010 darüber - leider ist das betreffende Video unter http://www.youtube.com/v/YD6WNl_DEaE nicht mehr verfügbar). Oder man hält sich an die Familie und bedient sich der DDR-mäßigen Zwangsadoption (einfach bei Youtube mal "Kinderklau" als Suchbegriff eingeben - da kommen dann gleich mehrere Sendungen). Auch ein schönes Druckmittel. Ich kann mir das alles nur so erklären, als dass man auf diese Weise vorsätzlich unkritische, "normierte" und des eigenen Denkens unfähige Untertanen erzeugen will.

Wir steuern also auf Verhältnisse zu, in denen die Gesellschaft, die wir heute kennen, nicht mehr überlebensfähig ist (vgl. http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/eine-frage-des-vermoegens/1860890.html - nur mal so als Hinweis). In einer solchen Gesellschaft wäre es für die "Elite" sicherlich von großem Vorteil, auf Untertanen zurückgreifen zu können, die es gelernt haben, mit NICHTS zurecht zu kommen. Ich für meinen Teil betrachte Hartz-IV daher mittlerweile als einen Großversuch, der dazu dient, genau so ein Volk heran zu züchten. Und mir soll kein Politiker erzählen, dass er über die tatsächlichen Verhältnisse nicht informiert sei. Zumindest die MdBs Edathy, Gabriel und unsere Kanzlerin Frau Merkel sind von mir persönlich informiert worden! Aber - wie nicht anders zu erwarten war - Reaktion gleich Null. Was ich als bewusstes Befürworten eines Unrechtssystems, das immer mehr totalitäre Züge annimmt, betrachte.

Quelle und Weiterlesen: REALASMODIS

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