absolut empfehlenswerter Vortrag von Prof. Dr. Michael Vogt. Da es sich hierbei – wie vom Vortragenden wiederholt
betont und eingestanden – erklärlicherweise nur um einen sehr kleinen
Auszug, sozusagen die Spitze des propagandistischen Eisbergs, handelt,
sollte keine Diskussion darüber aufkommen, ob die angeprangerten
Zustände korrekt widergegeben wurden. Alle angeführten Beispiele kann
man jedoch mit dem erforderlichen Willen mühelos selbst recherchieren
und wird sie in der vorgebrachten Weise bestätigt sehen …
Rostock-Lichtenhagen.
20 Jahre ist es her, dass in Deutschland eines der schlimmsten
fremdenfeindlichen Pogrome der Nachkriegsgeschichte stattfand. Wer
erinnert sich noch? Und wie?
Eigentlich müsste das Thema Hochkonjunktur haben, angesichts der
NSU-Morde und der Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die rechte
Szene, der verbreiteten Akzeptanz für rassistisches Gedankengut in der
so genannten „Mitte der Gesellschaft“ im Zuge der Entsolidarisierung.
Aber die ARD bringt nicht etwa eine neue Reportage über 20 Jahre
Rostock-Lichtenhagen und den Zusammenhang mit der NSU und dem Versagen
des Verfassungsschutzes. Guckt sie vielleicht wenigstens mal, wie es
vietnamesischen Vertragsarbeitern, die damals gehetzt wurden, heute
geht? Fehlanzeige - sie bringt gar nichts. Immerhin hat der NDR noch einmal einen neuen Film beauftragt – der Regisseur bekam von vielen damals Verantwortlichen und Beteiligten kein Interview. Im „Freitag“ erscheint ein ärgerlicher Artikel,
der sich in Verrenkungen über Weglassungen versucht, solche
Ausschreitungen als Teil der menschlichen Natur zu betrachten, weder ein
speziell deutsches Phänomen noch eins, in dem Interessengruppen vorher
ganz gezielt die Massen auf Sündenböcke hetzen, noch eins, das konkret
mit der deutschen Vereinigung zu tun hatte, jenseits der materiellen
Probleme der Rostocker. Um Ausländerfeindlichkeit sei es schon gar nicht
gegangen.
Dabei waren die Ereignisse aus dem Sommer 1992 ein Paradebeispiel für
die gezielte staatliche Inszenierung eines Exempels, das gebraucht
wurde, um ein verschärftes Asylrecht durchzusetzen. Es wurde gelogen,
dass sich die Balken biegen, Absichten kaum verhohlen, Politik und
Polizei haben derart versagt, dass man nur ganz gezieltes Tun oder
besser Nichttun dahinter vermuten kann. Der Frust von deklassierten, um
ihre Hoffnung betrogenen Ostdeutschen wurde in klassischer Manier
gezielt auf die Ausländer als das „Andere“ kanalisiert, um CDU-Politik
durchzusetzen. Eine Leerstelle wurde gelassen, wo offensichtlich war,
dass sie von Rechtsradikalen besetzt werden würde. Der Tod von Menschen
war einkalkuliert.
„Das Boot ist voll“
Seit Mitte der 70ern zeichneten sich in der westlichen Welt, noch
fast unmerklich, nach einer Periode des Wohlstands, die ersten Zeichen
der beginnenden längerfristigen Rezession ab, die sich Anfang der 80er
verfestigten. Und damit kam eine konservative Wende, symbolisiert durch
die Wahl von Reagan in den USA, Thatcher in England, die die
Entsolidarisierung der Gesellschaft vorantrieben, etwa in dem sie die
Spitzenzinssätze für Reiche massiv senkten oder die Gewerkschaften
zerschlugen. In der alten Bundesrepublik kam Helmut Kohl an die Macht.
Seit den frühen 80er Jahren tobte in hier eine immer heißer werdende
Debatte um die Asylgesetze, die bereits Ende der 70er begonnen hatte.
Die CDU drängte auf eine Änderung, die im linken politischen Lager als
eine Quasi-Abschafffung des Asylrechts betrachtet und auch von der SPD
abgelehnt wurde. „Das Boot ist voll“ und „Scheinasylanten“ wurde zu
rhetorischen Schlagworten in den Medien, oder auch die Rede von der
„Asylanten-Springflut“, nach Karl Frommes bereits 1980 in der FAZ
erschienem Aufruf, den „Asylantenstrom“ einzudämmen. Rassismusforscher
Siegfried Jäger konstatierte 1993, dass es teilweise keine Unterschiede
zur Sprache im Dritten Reich geben würde. Rassimus kommt immer aus der
Mitte der Gesellschaft, stellt er klar: Haltungen verfestigen sich dort,
und werden an den Rändern der Gesellschaft ausgeführt, zumeist von
jungen Männern, die sich trauen, das zu tun, was andere nur denken. Wie
sehr der Asylant als solcher schnell zum Feindbild wurde, zeigten
verstärkte Angriffe auf Ausländer seit Mitte der 80er. Rechtsradikale
Parteien und Gruppierungen sprangen Ende des Jahrzehnts auf den Zug auf
und verschärften die Rhetorik.