13 Mai 2012

Dem Teufel ins Maul gespuckt

Fast unbeschadet hat Island die Bankenkrise überstanden und geht sogar gestärkt aus ihr hervor. Dies wäre auch für andere europäische Krisenstaaten machbar.

Wäre es nach dem Willen des damaligen isländischen Premierministers Geir Haarden gegangen, die Insel stände heute vor dem völligen Ruin. Stattdessen taten die Isländer etwas Großartiges. Sie jagten ihren Regierungschef zum Teufel. Das kleine Inselvolk erschuf damit einen Meilenstein in der Geschichte der Demokratie, der von unseren Medien aus gutem Grund unbeachtet bleibt. Die alte Regierung des Landes war abgesetzt worden, nachdem im Zuge von Straßenprotesten eine Menge wütender Demonstranten das Parlament mit Steinen beworfen hatte. Den Forderungen der EZB und des IWF wurde per Referendum durch das isländische Volk eine klare Absage erteilt. Man einigte sich lediglich mit den Niederlanden und Großbritannien darauf, dass ab 2016 über die nächsten 30 Jahre ein Betrag von 3,8 Milliarden zurückerstattet wird – das war’s, mehr gibt es nicht. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Heute ist das Land weitgehend saniert und sogar dazu in der Lage, seinen Bewohnern große Teile ihrer Hypothekenschulden zu erlassen. Zuvor jedoch hatte sich Islands ehemaliger Premier vor Gericht zu verantworten. Es folgte vergangenen Monat der Schuldspruch: „Haarden habe sich im Vorfeld der Misere nicht ausreichend informiert und es zudem versäumt, eine Sondersitzung seines Kabinetts einzuberufen, als die Krise mit voller Wucht zuschlug. Nicht nur habe er zahlreiche Warnzeichen ignoriert, sondern es überdies versäumt, die rechtzeitig unterbreiteten Vorschläge eines Ausschusses zur Stärkung der Wirtschaft umzusetzen,“ so hieß es in der Urteilsbegründung. Wenngleich das Urteil eine Haftstrafe ausschließt, lässt sich dennoch nicht leugnen, das Haarden von seinem eigenen Volk in Schimpf und Schande davongejagt wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre Haft gefordert. Der Aufstieg aus dem Schuldental begann bereits 2008, nachdem Islands Banken Schulden in Höhe von 85 Milliarden Euro angehäuft hatten. Die größte Schuldenbank, die Kaupthingbank, aber auch weitere, ließ man pleite gehen. Die verbleibenden drei Großbanken Landesbanki, Glitnir und die Arion Bank wurden zunächst unter staatliche Aufsicht gestellt und dann gänzlich verstaatlicht. Die bankrotten Banken wurden aufgespalten. Die Milliardenschulden bei ausländischen Profitjägern wurden dadurch von den inländischen Bankgeschäften abgetrennt – die Insel konnte wieder entspannt aufatmen. Nur drei Jahre später, im November 2010, gab der isländische Präsident Olafur R. Grimsson bekannt: „Island geht es weitaus besser, als irgend jemand erwartet hätte.“ Zur Entscheidung der Isländer, die Banken sich selbst zu überlassen, erklärte er: „Das Volk mußte abstimmen, denn wie weit können wir ganz normalen Menschen – Bauern, Fischern, Krankenschwestern, Ärzten und Lehrern – zumuten, die Verantwortung für bankrotte Privatbanken zu tragen?“ Was den Untergang der Pleitebanken betrifft, scheint er keine Reue zu verspüren: „Das waren alles private Banken, und wir gaben ihnen keine Liquiditätsspritzen, damit sie weitermachen könnten“, so Grimsson- und weiter: „der Staat kann nicht die Verantwortung für bankrotte Privatbanken übernehmen.“ Die Eurowährung interessiert die Isländer seither nicht länger. Die Abwertung der Krone brachte stattdessen verstärkt Touristen auf die Insel. Bald schon begann die Wirtschaft des Landes erneut aufzublühen. Sogar an den internationalen Bondmarkt ist das Land zurückgekehrt. Trotz des schlechten Ratings zahlt Island dort Zinsen, von denen andere europäische Krisenstaaten nur träumen können. Noch unmittelbar nach dem Volksrefendum hatten Islands Gläubiger dem Land damit gedroht, die Insel in ein europäisches Kuba zu verwandeln. Heute scheint es, als ob Island künftig das einzige wohlhabende Land des Kontinents sein wird, während sich die restlichen Eurostaaten mit einem eher kubanischen Lebensstandart werden begnügen müssen.

Quelle: DENKBONUS

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